Bericht zur Abschlusskonferenz des KILPaD-Projekts am 23. Juni 2022 an der Universität Witten/Herdecke von Prof. Dr. Dirk Baecker
Kurz vor Abschluss der dreijährigen Förderdauer des BMBF-Projekts „Kommunikation, Innovation und Lernen in der Produktionsorganisation unter Bedingungen agiler Digitalisierung“ (KILPaD) trafen sich Wissenschaft und betriebliche Praxis zur Abschlusskonferenz im Neubau der Universität Witten/Herdecke. Selbstverständlich stellen sich die Ergebnisse des Forschungsvorhabens aus wissenschaftlicher und betrieblicher Sicht je anders dar, doch wenn es einen gemeinsamen Nenner gab, so lautete er: Digitalisierung ist, wenn Problem und Lösung nicht zur Deckung kommen, sondern man durch jede Lösung nicht nur auf neue Probleme stößt, sondern auch auf neue Ideen kommt. Die Digitalisierung steckt noch immer in den Kinderschuhen, auch wenn die Industrie seit Beginn der Automatisierung auf mittlerweile gut sechzig Jahre Erfahrung zurückblickt. Wir haben es in den Betrieben dieser Welt nicht mehr nur mit Arbeit, sondern vor allem mit Lernen zu tun. Das hat Marshall McLuhan in seinem Buch Understanding Media schon 1964 festgestellt.
Mit der Einführung von Maschinensteuerung, digitalen Laufkarten, Auftrags- und Produktionsplanung, Shopfloor Infopoints und Wissensmanagement lösen sich nicht alle Probleme, sondern entdeckt man neue Aufgaben und Herausforderungen. Keinem Betrieb bleibt es erspart, seine Organisation in den Blick zu nehmen, seine Anforderungen an die Kompetenzen von Belegschaft, Management und Geschäftsführung. Kein Betrieb steht nicht vor dem Dilemma, einerseits die leistungsfähigsten elektronischen Programme einführen zu wollen, andererseits jedoch nicht abhängig zu werden von einer Hardware und einer Software, die vielleicht die Dienstleister verstehen, aber nicht man selbst. Die Belegschaft fürchtet um ihre Arbeitsplätze, das Management fürchtet um seine Kontrollmöglichkeiten und die Geschäftsführung fürchtet um die Autonomie ihres Betriebs. Nur mit Fingerspitzengefühl lassen sich die Chancen „freispielen“, die dennoch von allen Beteiligten in diesen Prozessen gesehen werden.
Viel ist gewonnen, wenn alle Beteiligten einsehen, dass es um Lernprozesse mit einem offenen Ausgang geht. Das ist ungewohnt, wusste man doch bisher immer, womit man es zu tun hat. In Präsentationen der Wissenschaftler*innen und der Praktiker*innen wurde deutlich, dass Kommunikation ein entscheidender Faktor ist: Nichts versteht sich von selbst; wer immer sich beteiligen will, muss mit allen reden, die sich ebenfalls beteiligen wollen. Innovation entsteht nur aus einem Prozess, den man nicht für selbstverständlich hält. Man braucht den Mut, seinen eigenen Betrieb neu zu entdecken. Man muss lernen, mit den Programmen umzugehen und mit den neuen Organisationsformaten, die diese Programme nahezu zwangsläufig mit sich führen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist daher die Agilität: Wer darauf wartet, dass von oben die klärenden Anweisungen kommen, bringt den Prozess zum Scheitern; wer sich hingegen im Austausch mit den Kolleg*innen, aber auch mit Lieferanten und Kunden die Aufträge selbst holt, wird erleben, dass die digitalen Prozesse genau so gestaltet werden können, wie man sie braucht. Dazu gehört nicht zuletzt, auf manch ein Projekt zu verzichten, auch wenn es bei der Konkurrenz angeblich noch so erfolgreich eingesetzt wird, und nach der Einführung manch ein Projekt auch wieder auszuführen, wenn man feststellt, dass es nicht passt.
Digitalisierung ist die Lösung, doch nur wenn man sich traut, dass passende Problem so zu formulieren und zu kommunizieren, dass alle Beteiligten es verstehen.
Die Abschlusskonferenz wurde nach den Präsentationen von Prof. Dr. Dirk Baecker (Universität Witten/Herdecke) und Prof. Dr. Uwe Elsholz (FernUni Hagen) und ihren Mitarbeiter*innen Maximilian Locher, Martina Thomas und Hannah Cramer von einer Podiumsdiskussion beschlossen, auf der Dr. Johanna Renker (Technologieberatungsstelle TBS beim DGB NRW), Prof. Dr. Peter Brödner (Wirtschaftsinformatik, Universität Siegen) und Dipl.-Ing. Carsten Meinhardt (Produktionsleiter bei nass magnet GmbH) wichtige Punkte des Projekts mit dem Moderator Maximilian Locher (Universität Witten/Herdecke) diskutierten. Bei aller Schwärmerei für die Möglichkeiten der elektronischen Netze sollte man nicht vergessen, so Brödner, an den materiellen Artefakten, die im Betrieb zu finden sind, zu überprüfen, welche Versprechungen glaubwürdig sind und welche nicht und welche Lösungen man sich ins Haus holt, für die man gar nicht die passenden Probleme hat. Nicht zu vergessen seien außerdem, so Renker, die Anforderungen des Datenschutzes; die Faszination durch immer mehr Daten sei nur die eine Seite einer Herausforderung, deren andere Seite darin besteht, mit ihrem Missbrauch rechnen zu müssen. Und immer, so Meinhardt, müsse man damit rechnen, dass die wirklichen intelligenten Lösungen bei den Mitarbeiter*innen in den Schubladen schlummerten. Wie könne man ein Betriebsklima sicherstellen, in dem es gelingt, die Intelligenz des Betriebs dem Betrieb zur Verfügung zu stellen?
Anfragen zum Projekt an: Hannah Cramer, Projekt KILPaD, Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft, Universität Witten/Herdecke, Email: Hannah.Cramer@uni-wh.de.