Drei Fragen an KILPaD: Wie verändert sich die Kommunikation in der Produktionsorganisation im Zuge der Digitalisierung?

Drei Fragen an KILPaD: Wie verändert sich die Kommunikation in der Produktionsorganisation im Zuge der Digitalisierung?

Vom Meta-Projekt INWIGE haben wir drei Fragen gestellt bekommen. Folgende drei Antworten haben wir gegeben, die nun auch auf der INWIGE-Website und im aktuellen INWIGE-Newsletter zu finden sind:

1. Wie genau verändert sich die Kommunikation in der Produktionsorganisation im Zuge der Digitalisierung?

Gegenüber der gut eingeübten relativ analogen Kommunikation in der Produktionsorganisation gewinnt die digitalisierte Kommunikation in Medien wie MES-Systemen, über digitale Laufkarten bzw. Werkaufträge oder Kollaborationsplattformen wie MS Teams an Bedeutung.
Diese Bedeutung hat der Projektleiter Prof. Dirk Baecker schon 2019 abstrakt für digitalisierte Kommunikation beschrieben: Kommunikation wird granularer, instantaner, konnektiver und interoperabler. Das heißt für die Produktion ganz konkret: Es werden neue Einblicke in Vorgänge in der Produktion möglich, in Echtzeit und unter neuen ausgeweiteten Adressatenkreisen, in die neben menschliche Akteure nun genauso technische Akteure zählen. Relativ analoge Kommunikation im Angesicht zu Angesicht oder am Telefon behält aber gerade dann weiter ihre Bedeutung, wenn es darum geht, die Schwächen digitaler Kommunikation auszugleichen, oder die verbesserte Digitalisierung digitaler Kommunikation voranzutreiben.

2. Wie sehen die durch die Digitalisierung hervorgerufenen Neugestaltungen der kommunikativen Prozesse in der Praxis aus (mögliche Beispiele)?

Um hier nur drei Beispiele zu nennen, die mindestens so viele Entwicklungen andeuten, wie sie neue Fragen zu stellen erlauben:

  • Mit der Einführung digitaler Laufkarten oder Werkaufträge werden Werkaufträge nicht mehr in Papierform von Verwaltung in Produktion per Hand übergeben, sondern sie werden elektronisch über die technische Schnittstelle zwischen ERP-System (Verwaltung) und MES-System (Produktion) übermittelt. Wie werden die Aufträge in Zukunft mit Autorität ausgestattet? Wie kommt es in Zukunft zu Rückkopplungen aus der Produktion in die Verwaltung?
  • Mit der Übertragung des Prozessmanagements in Wiki-Software im social media-Format werden Prozesse prinzipiell durch alle MitarbeiterInnen kommentierbar und, nach einem entsprechenden Freigabe-Workflow, auch adaptierbar. Wie werden die Übergänge zwischen Prozessen nun ausgehandelt, wenn deren Visualisierung und Festlegung nicht mehr alleine über einen Schreibtisch laufen? Wie diffundiert nicht nur die Möglichkeit zur Beteiligung, sondern auch die Kompetenz zur Audit-gemäßen Prozess-Definition?
  • Mit der zunehmenden Selbstprogrammierung von Maschinen durch neue Maschinensoftware geben die Maschinenbediener einzelne Tätigkeiten ab. Unter welchen Erwartungsdruck geraten sie, wenn sie auf diese Abgaben hin beobachtet werden? Welche Kompetenzen gehen verloren, wenn die Arbeit maschinenbedingt an Komplexität verliert? Welche neuen Kompetenzen werden nötig, wenn neue Erwartungen nicht mehr zurückzuweisen sind?

Für all diese Beispiele gilt: Welche neuen Balancen in den Organisationen gefunden werden, lässt sich bisher noch kaum sagen. Dass neue Balancen nötig werden und sich herausbilden, erscheint aber schon jetzt als klar.

3. Wie können sich die KMU auf die Um- und Neugestaltung der Schnittstellen vorbereiten?

Es gibt viele Wege der Vorbereitung. Eine gute Vorbereitung geht wohl von dem Grundverständnis aus, es bei der Um- und Neugestaltung der Schnittstellen durch Schritte der Digitalisierung nicht nur mit einem Projekt der technischen Umsetzung zu tun zu haben. Das bedeutet mindestens dreierlei: Erstens gilt es dafür zu sorgen, dass die Praxis, um deren Veränderung es geht, Einfluss auf ihre eigene Digitalisierung gewinnt und man dementsprechend die PraktikerInnen in die Umgestaltung gestaltend einbezieht. Zweites muss ganz bewusst an den die Digitalisierung motivierenden Zielvorstellungen gearbeitet werden. Gerade zu Beginn von Digitalisierungsprojekten braucht es ausreichend weite Zielvorstellungen und intensive Kommunikationen darüber im Betrieb, wo diese Zielvorstellungen wie anschlussfähig sind und noch verändert werden müssen. Drittens braucht es möglichst früh konkrete Erfahrungen mit der einzusetzenden digitalen Technologie, um diese Eindrücke in die Ausgestaltung der Zielvorstellung und die Befragung und Einbeziehung der analogen Praxis einfließen zu lassen und umgekehrt die digitalen Technologien entsprechen auszuwählen und anzupassen. 
Die Digitalisierung im KMU bewegt sich immer im Kontext von Entscheidungen und FacharbeiterInnen. Sie muss deshalb als eine Organisationsentwicklung angelegt werden, die die Kompetenzentwicklung der FacharbeiterInnen im Blick hat.

Zum entsprechenden Beitrag auf der INWIGE-Website geht’s hier

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