In See gestochen… – Wozu KILPaD?

In See gestochen… – Wozu KILPaD?

Neun Monate nach Projektbeginn haben wir, das BMBF-Verbundprojekt KILPaD, jetzt auch eine digitale Präsenz. Für ein an der Digitalisierung interessiertes Projekt wie das unsrige ist das ein Muss. Dass das Digitale in den letzten Monaten auch unsere interne Zusammenarbeit bestimmt hat, dokumentiert auch dieses gar nicht so schlecht gelungene Bild😉

Abbildung: Foto vom Abschluss der Projekt-WebCo am 18. Mai 2020

Welchem Problem stellt sich das Projekt?

KILPaD stellt sich dem Problem, das die Digitalisierung bei allen vielversprechenden Vorteilen für die Produktionsorganisation im industriellen Mittelstand bedeutet. Denn mit der Einbringung von digitalen Medien wie neuer ERP-Software, der Prozessautomation, neuen Human-Machine-Interfaces und neuen MES-Systemen sieht sich die Vernetzung der Produktionsarbeit einer Herausforderung ausgesetzt, auf die sie noch keine finalen Antworten gefunden hat: Wie kann in diesen veränderten Umgebungen weiterhin innoviert, verbessert und gelernt werden? Und dies obwohl sich die mittelständische Produktionsorganisation vor allem auf den Umgang mit mündlicher und schriftlicher Kommunikation (bspw. Laufkarten auf Papier) eingestellt hatte? Wie lässt sich die Digitalisierung so ausgestalten, dass die spezifischen Rahmenbedingungen des Mittelstands Berücksichtigung finden? Und nicht zuletzt: Wie lassen sich Digitalisierungsvorhaben so einführen und organisieren, dass sie die Intelligenz der Organisationen nutzen und vor Ort mehr helfen als stören?

Dass diese Fragen alles andere als geklärt sind, zeigt sich genauso in der betrieblichen Realität wie in der Forschung. Hinzu kommt, dass die Rolle des Mittelstands im Diskurs bisher eher ausgespart wird und die Beforschung von großen Industriebetrieben dominiert. Beide Defizite versteht dieses Projekt als Auftrag zur anwendungsnahen Erforschung.  

Wie nimmt sich KILPaD diesem Problem an?

Das über eine Vorbereitungszeit von mehr als zwei Jahren gereifte Projekt nimmt sich der aufgeworfenen Fragen produktionsnah an: Im Zentrum stehen jeweils Digitalisierungsvorhaben, die unsere Projektpartner aus dem industriellen Mittelstand vor Ort voranbringen. Das Projekt begleitet, reflektiert und gestaltet mit, wie sich vor Ort die Produktionsorganisation unter dem Druck der Digitalisierung umbaut. Zu diesem Zweck arbeitet das Projekt auf der betrieblichen Ebene, im vertrauensvollen Austausch auf der Projektebene sowie unter Hinzuziehung von LeitanwenderInnen und industriellen Großunternehmen im Format der Organisationswerkstatt. Je nach Digitalisierungsvorhaben stehen die betrieblichen Schnittstellen im Fokus, an denen sich Innovation, Verbesserung und Lernen im Besonderen im Zuge der Durchführung des Vorhabens verändern und neu gestalten. Damit verschreibt sich das Projekt einer betrieblichen Mikrofundierung und gewinnt, auf der Ebene des Konkreten und Spezifischen, besondere Möglichkeiten des Vergleichens und Reflektierens im Betrieb, im Projekt und mit anderen AustauschpartnerInnen.

Wir können uns glücklich schätzen, trotz des sehr kurzfristigen Projektbeginns bereits im November/Dezember in die Groberhebung und im Februar in die Feinerhebung bei unseren Praxispartnern gegangen zu sein. Damit kann das Projekt KILPaD wohl auf eine der letzten qualitativen Erhebungen von Produktionsarbeit im Rahmen von teilnehmenden Beobachtungen aufbauen, die im bundesdeutschen Raum noch in der Vor-Corona-Welt möglich waren.  

Was sind erste Erkenntnisse, die Grund zur weiteren gemeinsamen Forschung geben?

Durch den aufgrund von Corona auf WebCos ausgewichenen und damit gleichsam verdichteten Austausch im Projekt konnten wir bereits einige Erkenntnisse entwickeln, die das weitere Projekt vor allem mit präzisierten Fragen versorgen. Eine dieser Erkenntnisse und die entsprechenden Fragen seien hier in aller Kürze präsentiert:  

KILPaD – wie gelingt im industriellen Mittelstand eine agile Digitalisierung?

In der Praxis zeigt sich ein geschärftes Verständnis dafür, wie rigide oder auch veränderbar digitale Medien wie bspw. Unternehmens-Software sind. Eine agile Weiterentwicklung von IT erscheint als voraussetzungsvoll: Lässt die IT Änderungen zu? Verfügt man als Unternehmen, ob intern oder extern, über agile Anpassungskompetenzen für IT? Werden die AnwenderInnen in der stetigen Weiterentwicklung der IT aktiv beteiligt? Wird die Oberfläche der digitalen Techniken so gestaltet, dass unmittelbares Feedback möglich ist, es zu einer intuitiven barrierefreien Nutzung kommen kann und Abweichungen und besondere Informationen unmittelbar ins Auge springen? Populär gewordene Messungen von Digitalisierungs-Reifegraden legen nahe, es gäbe einen 100 %-igen Reifegrad. Wenn die Digitalisierung aber stattdessen eine Transformation ohne absehbaren Endzustand darstellt, drängt sich vielmehr eine entscheidende Frage auf: Wie lässt sich die Digitalisierung im Mittelstand agil organisieren?

Wie geht’s weiter?

Wir werden in den nächsten Monaten verstärkt in die Analyse derjenigen Schnittstellen der Betriebe gehen, die für die jeweiligen Digitalisierungsvorhaben entscheidend sind und mit ihnen unter einem großen Veränderungsdruck stehen.

In diesem wie in allen anderen Schritten des Projekts soll dieser Blog zur Information über den aktuellen Stand des Projekts dienen und Anlässe zu Anschlusskommunikationen mit anderen PartnerInnen, Expertisen oder auch Interessierten ermöglichen. Niederschwellig zugängliche Podcasts werden die Kommunikation des Projekts ergänzen.

Da ich von den ersten Gesprächen in Witten und Espelkamp in der Projektanbahnung und -planung beteiligt war und den Wagen eine ganze Wegstrecke lang stark mitziehen durfte, freue ich mich umso mehr, dass unser Projekt mit seinen insgesamt 7 Projektpartnern, seinen 5 Transferpartnern, seinen 2 assoziierten Projektpartnern und seinen bisher 5 Unterauftragnehmern so erfolgreich gestartet ist und mehr und mehr von selbst Fahrt aufnimmt. Es gilt, die Digitalisierung für den Menschen und die Gesellschaft zu gestalten. Packen wir’s an!

Maximilian Locher

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